Kletterausrüstung

Klettern ist in den letzten zwei Jahrzehnten aus der Nische der Ökofreaks und Aussteiger heraus gekommen und hat sich zum Massensport gemausert. Das verwundert nicht weiter: Es gibt kaum eine Sportart, die Körper und Geist gleichermaßen fordert, ausgeglichen alle Muskelgruppen gleichzeitig stärkt und zudem auch noch Balance und Koordination trainiert. Klettern macht einfach Spaß, und viel Ausrüstung braucht es am Anfang auch nicht. Jetzt geht es um die Basics.

Kleider machen Leute: Kletterhosen und das richtige Schuhwerk

Kletterhosen

Ob Sie in Bluejeans und oben ohne klettern oder spezielle Hosen und T-Shirts bevorzugen, ist für die Ausübung des Klettersports völlig egal. Kletter- und Boulderhosen haben den Vorteil, dass sie weit und elastisch genug gearbeitet sind, um auch extreme Bewegungen zuzulassen. Gleichzeitig sind die Stoffe so gewählt, dass sie nicht beim ersten Kontakt mit dem Felsen aufgeben. Wer schon mal versucht hat, in einer Skinny Jeans die Füße in einem normal hohen Waschbecken zu waschen, ohne sich die Genitalien in den Stofffalten zu klemmen, weiß, worum es geht.

Kletterschuhe

Richtige Kletterschuhe haben eine glatte Sohle, die auch auf glattem Untergrund extreme Reibung bietet. Wer beim Toehook aus dem Schuh rutscht, baumelt im Zweifelsfall nur noch an zwei Fingern – unangenehm. Von professionellen Kletternden hört man daher immer wieder den Rat, dass die Kletterschuhe ein bis zwei Nummern zu klein gekauft werden sollten. Das ist insofern Blödsinn als dass die meisten Hersteller die Schuhe schon extrem klein produzieren. Schnürschuhe sind nett, weil sie sich extrem gut an den Fuß anpassen lassen. Der Sportiva Mythos beispielsweise kann bis nach vorne zum Zehenansatz aufgeschnürt werden, und ein umlaufendes Schnürband am Knöchel bietet auch da perfekte Anpassungsmöglichkeiten. Klettschuhe oder Velos sind schneller an- und ausgezogen. Der Scarpa Origin beispielsweise lässt sich mit zwei recht breiten und langen Klettbändern sehr gut an den Fuß anpassen. Beim Sichern und Pausieren sind die meisten Kletternden eher barfuß oder in Flipflops unterwegs. Denn die engen Kletterschuhe drücken dann doch etwas an den Zehen, und vor allem Schuhe mit asymmetrischem Schnitt pressen den Fuß in Formen, die zwar beim Klettern sinnvoll sind, beim normalen Laufen aber Schmerzen. Eine schnelle, aber recht locker sitzende Alternative zu den Schnür- und Klettschuhen bieten Slipper: Die werden angezogen wie Socken, rutschen unter Umständen aber auch genauso leicht wieder vom Fuß. Die meisten Slipper machen keinen Fersenhook mit. Probieren Sie im Zweifelsfall mehrere unterschiedliche Schuhe an, in verschiedenen Größen.

Das Crashpad – verletzungsfrei landen

In der Halle ist der Boulderbereich mit einer weichen Matte ausgelegt, die Stürze abfängt. In der Natur finden Sie solche Untergründe eher selten. Die Matte muss also mit zum Felsen gebracht werden. Crashpads sind so konzipiert, dass sie bei minimalem Gewicht und minimaler Größe gerade noch ausreichenden Schutz bieten. Kein Crashpad kann alle Verletzungen vermeiden – der Sinn der dünnen Matte liegt eher darin, lebensgefährliche Verletzungen in ärgerliche, aber heilbare Verletzungen abzumildern. Mehr nicht. Ein gutes Crashpad ist mehrlagig aufgebaut, harte Schichten federn und vermeiden Verletzungen durch spitze Steine. Weiche Schichten geben nach und bremsen den Sturz ab. Außerdem sollte das Crashpad ein brauchbares Tragesystem haben, denn es läuft nicht alleine zum Felsen. Gewicht und Größe müssen mit Ihrem Rücken vereinbar sein. Ob Sie ein Crashpad wählen, das in drei Teilen aufklappbar ist, oder doch nur die zweiteilige Variante, hängt also auch von Ihrem Willen ab, sich zum Packesel zu machen. Übrigens achten viele Hersteller darauf, dass das Crashpad Taschen hat, in denen Sie Ihre Ausrüstung verstauen können. Bleibt die Frage, warum Bouldern sinnvoll ist: Beim Bouldern sammeln Sie an relativ niedrigen Felsen (Stichwort Absprunghöhe) erste Erfahrungen, die Ihnen beim Klettern in größeren Höhen nützlich sind. Sie lernen die Technik also direkt am Felsen, ohne sich auf Seile, Sicherungsgeräte, Karabiner oder ähnliche Ablenkungen konzentrieren zu müssen. Beim Bouldern ist keine teure Ausrüstung nötig (abgesehen vom Crashpad), Sie benötigen keinen Partner zum Sichern und können sich langsam an den Sport gewöhnen.

Chalk: Die weiße Hand

Ob Sie Magnesia beim Klettern verwenden, ist eine Glaubensfrage. In vielen Hallen wird empfohlen, nur Liquid Chalk zu verwenden oder eventuell einen Chalkball. Chalk staubt in der Luft, ist in vielen Klettergebieten aus Gründen des Naturschutzes verboten und greift Ihre Haut an. Es trocknet die Haut so weit aus, dass Sie sich leichter am rauen Felsen verletzen. Auf der anderen Seite kann ein bisschen Chalk auch den Unterschied ausmachen, ob man beim Bouldern an einer besonders kraftaufwendigen Stelle mit den schweißnassen Fingern abrutscht oder eben doch weiterklettert. Loses Magnesia lässt sich sehr gut im Chalkbag unterbringen und kann beim Klettern am Seil wie auch beim Bouldern immer wieder neu aufgetragen werden.

Der Klettergurt, auch Geschirr genannt

Der Klettergurt ist nur dann notwendig, wenn am Seil geklettert wird, also nicht auf Absprunghöhe. Ein guter Klettergurt sitzt stramm, lässt sich an Bauch und Beinen individuell stufenlos einstellen und hat neben den Ösen zum Einbinden vorne auch noch ein paar Materialschlaufen zum Befestigen von Ausrüstung. Kindern wird häufig ein Komplettgurt empfohlen, der nicht nur um Bauch und Beine liegt, sondern auch den Oberkörper gerade hält. Der Gurt ist dann sinnvoll, wenn Menschen sich nicht selbstständig aufrichten können und Gefahr laufen, mit dem Kopf nach unten zu baumeln und in dieser Lage an den Felsen zu stoßen. Anfänger/-innen im Freiland benötigen also eher keinen Komplettgurt, weil sie erstens schon Erfahrungen in der Halle gesammelt haben und zweitens sportlich halbwegs fit sind. Drittens sollten Sie sich als Neuling nicht in die ganz gefährlichen Lagen trauen, sondern erstmal nur kürzere Routen mit guter Sicht und vor allem Übersicht klettern. Reine Brustgurte sind Unfug, damit kann niemand sicher abgeseilt werden. Manchmal machen Sie in Kombination mit einem vorhandenen Hüftgurt Sinn. Sehr gut anpassbare Gurte aus vertrauenswürdiger Fertigung liefern eigentlich alle einschlägig bekannten Hersteller, namentlich Petzl, Mammut, Edelrid und Black Diamond.

Das Sicherungsgerät: Wichtigstes Teil der Ausrüstung und Lebensversicherung

Wer am Seil klettert, muss gesichert werden. Daher gehört das Sicherungs- oder Abspielgerät zu den wichtigsten Gegenständen Ihrer Ausrüstung. Sie haben in der Halle sicherlich gelernt, was ein Halbmastwurf ist, wozu der Achterknoten verwendet wird und wie man mit Halbautomaten und Tube sichert. Welche Methode Sie verwenden, ist allein die Entscheidung von Ihnen und Ihrem Partner. Der oder die Kletternde sollte immer fest ins Seil eingebunden werden, die Sicherungsmethode mit zwei gegenläufig angebrachten Karabinern gilt aufgrund nie auszuschließender Materialschwäche als eher unsicher. Der oder die Sichernde dagegen benutzt einen speziellen Knoten zum Sichern (dann wird kein Gerät benötigt) oder eben ein sogenanntes Sicherungsgerät. Das kann ein Tube sein (kostengünstig, einfach zu bedienen und überall erhältlich) oder einer der neueren Halbautomaten. Letztere gelten als sicherer im Vergleich mit anderen Möglichkeiten, weil sie halbautomatisch blockieren, sowie Zug auf dem Seil ist – selbst wenn der oder die Sichernde träumt (was um Himmels Willen nicht passieren sollte), müsste das Sicherungsgerät blockieren. Leicht zu bedienen sind Click Up und Smart, traditionsbewusste Kletternde bevorzugen allerdings das GriGri oder GriGri 2 von Petzl. Der Abseilachter ist, wie das Tube, kein Halbautomat und Neulingen nur bedingt zu empfehlen. Karabiner werden benötigt, um das Sicherungsgerät im Gurt zu befestigen. Achten Sie darauf, dass der Karabiner kein Materialkarabiner ist, sondern zum Sichern von Personen verwendet werden darf. Als sehr sicher gelten Schraubkarabiner und verschiedene Ausführungen des HMS-Karabiners. Schnappkarabiner sind eher für Material geeignet: Damit befestigen Sie Ihre Ausrüstung am Gurt.

Seile, Zubehör und Expressschlingen

Seile und Expressen-Sets benötigen Sie nur, wenn Sie in nicht komplett ausgestatteten Klettergebieten im Vorstieg klettern. Das eigene Seil transportieren Sie in einer Seiltasche oder einem Seilsack, so dass es nicht verknoten kann und vor Verschmutzungen grob geschützt ist. Spezialbeschichtungen sind nicht nötig, diese Seile sind eher für Gletschertouren gedacht. Eine Seilbürste sorgt dafür, dass beim Einlegen des Seils nach dem Klettern Schmutz und Staub vom Seil entfernt werden. Das ist der einfache Teil. Der schwierige Teil ist: Welches Seil benötigen Sie? Das umgangssprachlich als Kletterseil bezeichnete Seil ist ein dynamisches Einfachseil. Das Seil wird als dynamisch bezeichnet, weil es sich bei Zug dehnt und damit Stürze leicht abfedert. Statische Seile sind nicht zum Sichern von Personen geeignet, können aber für die Ausrüstungverwendet werden. Und ein Einfachseil ist es, weil es selbst als einfaches Seil stark genug ist, den Sturz zu halten. Es muss nicht doppelt oder dreifach genommen werden. Für das Vorstiegsklettern in der Halle reicht ein Seil von 40 m Länge. Draußen sind 60 m das Minimum (leichte Ausrüstung lässt sich leichter transportieren). Je länger das Seil ist, desto höher ist der Preis. Wirklich lange Routen benötigen Seile mit einer Länge von 80 bis 120 m. Dünne Seile sind toll, denn sie wiegen nicht viel. Allerdings verschleißen sie auch schneller. Dicke Seile sind länger haltbar, bringen aber auch entsprechend mehr Gewicht mit. Die goldene Mitte liegt etwa zwischen 9,8 und 10,2 mm und passt in alle Standard-Sicherungsgeräte. Ein Seil, das für Ihren Halbautomaten zu dick ist, wäre schließlich nutzlos. Achten Sie also beim Seilkauf auch darauf, welche Angaben der Hersteller Ihres Sicherungsgerätes macht. In gut eingerichteten Sportkletterrouten reicht es aus, wenn Sie zusätzlich einen Satz von acht bis zwölf kurzen Express-Schlingen dabei haben. Einer der Karabiner sollte fixiert sein und mit einer breiten, steifen Bandschlinge versehen sein. Längere und flexible Bandschlingen sind eigentlich nur beim Trad- oder Cleanclimbing nötig. Die Karabiner an den Exen sind in der Regel Schnapper: Drahtbügelschnapper öffnen sich bei Erschütterungen nicht so leicht, massive Schnapper sind dafür leichtgängiger. Ansonsten ist die Ausführung Geschmacksache.